Geschichtsprojekte

Seit Jahren ist die Geschichtsvermittlung ein besonderes Anliegen des Vereins. Wir begleiteten Kinder und Jugendliche bei Wettbewerben und führten immer wieder Projekte durch.

Erinnerungsstücke – Jahresprojekt 2020 (gefördert durch die Stiftung Dahme-Spreewald der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam)

Als wir mit den Planungen für das Projekt „Erinnerungsstücke“ im Winter des Jahres 2019 begannen, schwebte uns in unserer Vorstellung ein Projekt vor, welches über das reflektierte Erzählen und den generationsübergreifenden Austausch anhand eigner Erinnerungsstücke niederschwellige Berührungspunkte mit der Geschichte schaffen und durch das Aufzeigen und Finden diachroner Gemeinsamkeiten gegenseitige Akzeptanz und den Zusammenhalt zwischen den Generationen stärken sollte. Dass 2020 in vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes Jahr mit speziellen Herausforderungen werden würde, war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.

Die ersten, noch planmäßig durchgeführten Workshop-Nachmittage gaben uns nicht nur die Möglichkeit, uns mit den Schüler_innen durch unterschiedliche pädagogische Methoden direkt und auf Augenhöhe auszutauschen. Im Nachhinein stellten sie sich angesichts des fortschreitenden pandemischen Geschehens auch als der Grundstein der später auf anderen Kommunikationswegen stattfindenden Arbeit mit den Kindern und als wichtiger Raum der direkten Erprobung unterschiedlicher Konzepte heraus.

Den Kindern machte sichtlich Freude, dass es in der AG nicht um Faktenwissen über DIE Geschichte gehen sollte, sondern jede/r als Expert_in der eigenen Geschichte ernst-genommen wurde. Das lebendige Erzählen und konzentrierte Zuhören schulend, konnte Geschichte den Schüler_innen auf diese Weise als multiperspektives Konstrukt unterschied-licher Ansichten und Geschichten nähergebracht werden, welches viel mit Interpretation zu tun hat. So erdachten die Kinder sich z.B. anhand des Fotos eines historischen Schuhs die Geschichte seines Vorbesitzers. Mit Hilfe einer historischen Karte erschlossen sie sich ihren Wohnort Eichwalde neu oder versuchten mittels einer Bildfolge von Emoji- Piktogrammen die Geschichte eines mitgebrachten Erinnerungsstücks möglichst knapp auf den Punkt zu bringen.

Die Präsenz-AG war für uns und die beteiligten Kinder ein voller Erfolg. Doch dann kam der corona-bedingte erste Lockdown. Die Situation an den Schulen und somit auch die Arbeit mit den Schüler_innen änderten sich schlagartig. Corona stellte für das Projekt jedoch in keiner Weise ein Dämpfer dar, sondern unterstrich durch die kollektive Wahrnehmung als folgen-schweres Jahrhundertereignis von historischen Ausmaß die im Rahmen des Projektes inten-dierte Beschäftigung mit Erinnerungen und ihrer generationsübergreifenden Weitertradierung sogar noch zusätzlich. Die nächsten Workshop-Einheiten wurden von uns aus dem Home-office heraus organisiert und mitteln virtueller Kommunikation direkt zu den Kindern versen-det. So baten wir die Kinder während des ersten Lockdowns ein Corona-Tagebuch zu führen und die Veränderungen zum gewohnten Alltag zu notieren. In der Essenz waren sich alle einig darüber, dass Corona etwas war, wovon sie später noch einmal ihren Enkelkindern erzählen würden und überlegten sich, welche Gegenstände sie schon jetzt an diese Zeit erin-nern würden. Das Konzept der gegenstandsgebundenen Erinnerung ging also auch in dieser Hinsicht voll auf.

Gemeinsam mit den Kindern wurden Fragebögen als Basis für den Austausch mit Zeit-zeug_innen im eigenen familiären Umfeld und darüber hinaus entwickelt. Es kam uns hierbei sehr zu Gute, dass wir bereits zuvor ein gutes Netzwerk zu Schüler_innen und Zeit-zeug_innen unterschiedlichen Alters aufgebaut hatten. Viele Kinder hatten zudem als Einkaufshilfe bereits Kontakt zu älteren Menschen in ihrer Nachbarschaft hergestellt, welche nun in das Projekt miteingebunden wurden. Auch wenn die geplante Zeitzeug_innenbörse entfallen musste, konnten Alte und Junge so auf diesem Wege gut miteinander vernetzt werden.

Da im Sommer bereits absehbar war, dass eine reguläre Ausstellung mit dreidimensionalen Erinnerungsboxen in einem geschlossenen Ausstellungsraum, wie sie das ursprüngliche Konzept vorsah, ihm Rahmen der Lockdown-Bestimmungen nicht möglich sein wird, wurde das Konzept entsprechend einer mobilen Ausstellung im Stadtraum verändert. Die sperri-geren Erinnerungsdioramen wichen kleineren Erinnerungsboxen, welche mit Fotos der Erinnerungsstücke sowie zahlreicher Kommentare versehen wurden. Die von den Zeit-zeug_innen ausgefüllten Fragebögen wurden evaluiert, ihre Erinnerungsstücke fotografiert und ihre Geschichten auf kreative Weise von den Kindern illustriert. Da sich neben Gegen-ständen überraschend viele Erinnerungen der Zeitzeug_innen auch unmittelbar auf Orte bezogen, wurde auch die lokale Gewerbe- und Vereinslandschaft der Region miteinbezogen. Von den Schüler_innen selbstgestaltete Tafeln mit Botschaften und Kommentaren wurden an denjenigen Orten angebracht, welche während der Pandemie zu Rückzugs- und Sehnsuchts-orten geworden waren und für die Schüler_innen ein Stück Lebensgefühl und Identität aus-machten. Zusammen mit den Kindern wurde überdies eine interaktive Rallye mit Quizfragen zu verschiedenen Einrichtungen im Eichwalder Stadtraum angefertigt, welche allein, im Klassenverbund oder durch Bewegung an der frischen Luft auch im erweiterten Familien-verbund etwa mit dem Großeltern gelöst werden konnte.

Ausgewählte Erinnerungsstücke und die Kommentare ihrer Besitzer_innen sowie die Ergeb-nisse mehrerer projektthematischer Schüler_innen-Workshops an der Grundschule Eichwalde wurden für eine Ausstellung im öffentlichen Raum aufbereitet und im Schaufenster der Alten Feuerwache Eichwalde gezeigt. Auf diese Weise kann die Ausstellung auch während des Lockdowns im November ein größtmögliches Publikum erreichen. Alle diese Elemente flossen neben der mobilen Ausstellung auch in das ausstellungsbegleitende Heft mit ein, welches zur kostenfreien Mitnahme in der lokalen Buchhandlung hinterlegt wurde.

Das Begleitheft wurde bewusst als ein interaktives und bunt illustriertes Arbeitsheft für ange-hende Zeitzeuginnen konzipiert, welches das Projekt dokumentieren und durch viel Raum für eigene Gedanken sowie Umsetzungsideen überdauern soll. Kinder bekommen darin u.a. kreative Anleitungen für den Bau einer Zeitkapsel, können Zeitzeug_innenen-Bingo mit ihrer Familie spielen oder eine eigene Erinnerungsbox für das liebste Erinnerungsstück anfertigen. Ein Teil des Arbeitsheftes ist zudem dem Thema Zukunft gewidmet. Über die Reflexion ver-gangener Zukunftsfantasien aus dem 20. Jahrhundert werden die Kinder selbst dazu ange-regt, über eine mögliche Zukunft in 100 Jahren nachzudenken. Seinen Einsatz könnte das Heft künftig sowohl im Unterricht an Grundschulen als auch in der selbstständigen Beschäfti-gung finden und noch in vielen Jahren von Zeitzeug_innen mit Erinnerung und Gedanken ausgefüllt werden. Auf diese Weise erhoffen wir uns eine Nachhaltigkeit des Projektes, welche über den eigentlichen Durchführungs- und Förderzeitraum weit hinausgeht.